Das Jahr 2022 stand für das GröschlerHaus Jever – Zentrum für jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region – nicht mehr im Schatten der Schließung kultureller Einrichtungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Dennoch wirkten sich die nach wie vor bestehenden Einschränkungen und ein verändertes Besucherverhalten negativ auf die Anzahl der Besucherinnen und Besucher aus.
2022 haben rund 900 Personen – 60 Prozent des Nicht-Corona-Jahres 2019 – ihren Weg in die Ausstellungen und Veranstaltungen gefunden. Darunter befanden sich in diesem Jahr recht wenige Schulklassen, aber Besuchergruppen aus dem kulturellen und sozialen Leben der Region und Touristen in der üblichen Größenordnung. Die Führungen und die Öffnungszeiten des Hauses erfolgen durch die Mitglieder des ehrenamtlichen Arbeitskreises GröschlerHaus im Jeverländischen Altertums- und Heimatverein.
Ingesamt bot das GröschlerHaus im Jahr 2022 zehn Veranstaltungen an, zum Jahresausklang zuletzt am 28. Dezember einen Gesprächsabend mit einem der bekanntesten Rapper Deutschlands, grim104 aka Moritz Wilken aus Berlin. Im Mittelpunkt stand dessen Video-Song „Komm Und Sieh“, der die als gegenwärtig erlebte nationalsozialistische Vergangenheit Zetels expressiv zu Gehör bringt. Der Vortrag von Dr. Hans Hesse (Köln) – in Kooperation mit dem Schlossmuseum Jever – über „Sinti in Nordwestdeutschland“ am 15. Dezember erinnerte an den 80. Jahrestag des sog. „Auschwitz-Erlasses “ von Heinrich Himmler, der die Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz einleitete. Die Gruppe „Sinti Swing“ mit Barono Schwarz aus Oldenburg umrahmte die Veranstaltung. Das aktuelle Thema „Koloniales Erbe und Alltagsrassismus“ erlebte am 27. Oktober in der Vortrags- und Gesprächsveranstaltung mit Wilma Nyari (Wilhelmshaven) und Dr. Sebastian-Manés Sprute (Berlin) eine intensive Diskussion.
Weitere Veranstaltungen beschäftigten sich mit Salomon Mendelssohn, dem jüdischen „Turnvater des Oldenburger Lands“, mit Fritz Levy, dem „letzten Juden Jevers“, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine (Referent Dr. Andrzej Batruch), mit dem Familienverband Magnus/Schiff/Hirche (zusammen mit dem Küstenmuseum Wilhelmshaven) und mit Robert de Taube (zusammen mit dem Landrichterhaus Neustadtgödens). Im Sommer fand erneut eine sehr gut besuchte Führung über den jüdischen Friedhof in Schenum statt.
Das Gedenken an den Pogrom vom 9. November 1938, für dessen jährliche Organisation die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit zuständig ist, erfolgte auch 2022 unter großer Beteiligung der Bevölkerung vor dem GröschlerHaus. Auch weihte die Initiative „Erinnerungsorte Friesland“ (Federführung Dr. Antje Sander, Recherche GröschlerHaus) am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, in Hohenkirchen eine Erinnerungsstele für den 1942 im Konzentrationslager Buchenwald ermordeten früheren Hohenkirchener Apotheker Ulrich Mamlok ein.
Erwartungsgemäß ging in der Folge des Abklingens der Corona-Pandemie die Besucherzahl der Internetzeitschrift www.groeschlerhaus.eu um rund 20% zurück und erreichte damit die bisher übliche und in der langjährigen Tendenz nach wie vor ansteigende Benutzerzahl. 45.000 Besuche und 172.000 Aufrufe stehen im Jahr 2022 zu Buche – eine stattliche Bilanz. Die Mitarbeiter des GröschlerHauses beantworteten 2021 wiederum eine Reihe von Anfragen aus dem In- und Ausland zu geschichtlichen und biografischen Fragen und stellten für Buchpublikationen Abbildungen zur Verfügung.
Das Portal www.erinnerungsorte-friesland.de des Schloss-Museums ist mit der genannten Internetzeitschrift eng verbunden. Eine interaktive Landkarte der Erinnerungsorte in Friesland und rund 150 Informationsartikel sowie weitere Angebote zur Landesgeschichte stehen kostenfrei zur Verfügung. So sind z.B. sämtliche Tafeln der verschiedenen Ausstellungen der Vergangenheit im PDF verfügbar. Wegen des großen Interesses an Fritz Levy bietet das GröschlerHaus auch die Website www.fritzlevy.de an und arbeitet mit dem Portal www.woistfritz.de der Bremer KünstlerInnen Ariane Litmeyer und Jan Charzinski zusammen.
Die im September 2019 eröffnete Sonderausstellung „Aufrüstung, Krieg und Befreiung im Jeverland: 1933 bis 1945“ wurde Ende 2022 abgebaut. Zu ihr ist ein umfassender Katalog erschienen, der die brennende Aktualität des historischen Themas durch das gewählte Format einer Tageszeitung betont. Ebenso wurde die Ausstellung „Was bleibt …“ beendet.
Das GröschlerHaus bleibt wegen der Erneuerung des Fußbodens in den Monaten Januar und Februar geschlossen. Gleichzeitig entsteht in Zusammenarbeit mit dem Schlossmuseum eine neue Ausstellung zur Geschichte der Juden Jevers und ihrer Synagoge, die biografisch ausgerichtet ist und gleichzeitig die alte Ausstellung „Was bleibt …“ zeitgemäß erweitert. Die Eröffnung ist für das kommende Frühjahr geplant.
Auch 2021 besuchten Nachkommen jeverscher Juden die Marienstadt auf den Spuren ihrer Vorfahren. Durch persönliche Kontakte finden weiterhin Fotos und Dokumente ihren Weg in das Archiv des Zeitgeschichtszentrums. Neue Kontakte kommen meist über die Internetzeitschrift www.groeschlerhaus.eu des Arbeitskreises zustande.
Im Mittelpunkt des neuen Jahres wird sicherlich die Begegnungswoche mit Nachkommen der Juden aus Jever stehen, die vom 18. bis 22. April in Jever stattfinden wird und für die die organisatorischen Vorbereitungen gegenwärtig auf Hochtouren laufen. Bisher haben rund 30 Personen aus Australien, Kanada, den USA, Israel, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland ihr Kommen fest zugesagt.
Das GröschlerHaus bekommt nach wie vor verlässliche Unterstützung durch den Landkreis Friesland, die Stadt Jever, die Heeren-Stiftung, den Zweckverband Schloss-Museum Jever, das Schloss-Museum, den Jeverländischen Altertums- und Heimatverein und von vielen Förderern aus der Geschäftswelt, der Zivilgesellschaft und fast allen politischen Parteien. Ohne sie alle könnte die Geschichtsarbeit, die zeitgeschichtliche Arbeit für die demokratische Gegenwart und Zukunft ist, ideell und materiell gar nicht aufrechterhalten und weiterentwickelt werden.