Anregung, die Schumacher- und die Edertstraße in Upjever in Stanislaw-Maczek- bzw. Josef-Rosensaft-Straße umzubenennen

Ergänzung / 31.1.2017: Am 16. Juni 2016 beschloss der Rat der Stadt Schortens auf Antrag der Fraktion der Grünen mit den Stimmen der Grünen, der SPD, der FDP, einem Teil der BfG und der Stimme von Bürgermeister Böhling die Umbenennung der Schumacherstraße und der Edertstraße in Upjever. Dagegen stimmten CDU und UWG.  Am 27. August 2016 beschloss der Stadtrat mit den Stimmen von SPD, FDP und Grünen gegen die Stimmen von CDU und der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) die neuen Namen „Am alten Fliegerhorst“ (Schumacherstraße) und „Zum Upjever Forst“ (Edertstraße) mit Geltung zum 1. Oktober 2016. Zwei neue Planstraßen in dem Siedlungsgebiet sollen „Zu den Krickmeeren“ und „Zum Engelsmeer“ heißen. Hiermit heißen die Straßen der für die Region historisch bedeutenden Siedlung nach Flurnamen. Die Namen waren –  wie alternative andere auch – von Bürgern vorgeschlagen worden. Selbst nach dieser Entscheidung hielt bei Teilen der Bevölkerung die Kritik an der Tilgung der alten Namen an.

Von Hartmut Peters, Februar/Mai 2016

Während der Ära des Nationalsozialismus benannte die damalige Administration die beiden Straßen der Flugplatzsiedlung Upjever nach Militärs, die auf dem Militärflugplatz, dessen Aufbau bereits unmittelbar nach der sog. „Machtübernahme“ 1933 in Angriff genommen worden war, eine Rolle gespielt hatten. Carl-Alfred Schumacher und Hermann Edert sind z.T. stark mit der NSDAP und dem ohne Umschweife geplanten und schließlich 1939 vollzogenen Angriffskrieg verbunden. Trotz der immer bekannten und immer wieder in zeitlichen Abständen seit den 1980er Jahren öffentlich kritisierten Verbindung der Personen zum NS-Regime und zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Deutschlands gegen die europäischen Nachbarn sind die Straßennamen bis heute gültig. Das erstaunt und hinterlässt ein mehr als schales Gefühl bei vielen, die die Geschichte kennen.

 

Carl-Alfred Schumacher (links) und Hermann Göring (vorn) am 27. Februar 1940 auf dem Flugplatz von Upjever (Archiv H. Peters)
Carl-Alfred Schumacher (links) und Hermann Göring (vorn) am 27. Februar 1940 auf dem Flugplatz von Upjever (Archiv H. Peters)

Carl-Alfred Schumacher (1896 – 1967) trat bereits am 1. November 1930 in die NSDAP ein, das frühe Eintrittsdatum weist ihn als überzeugten Anhänger aus.  Er verband anschließend sein Wirken zunehmend eng mit dem verbrecherischen Kriegshandeln von NS-Deutschland, bis er schließlich zum Zeitpunkt des Endkampfes und der totalen Niederlage 1945 im inneren Zirkel der Luftwaffe und der Nationalsozialistischen Führungsoffiziere (NSFO) angekommen war. Der ehemalige Weltkriegs-Eins-Pilot wurde unmittelbar nach der „Machtübernahme“ der NSDAP im März 1933 unter gleichzeitiger Ernennung zum Oberleutnant durch Berlin für die aufzubauende Luftwaffe reaktiviert. Es ist wichtig zu wissen, dass Hitler bereits zu diesem Zeitpunkt und im Verein mit Führungskräften der Reichswehr den Angriffskrieg zur Revision der Versailler Verträge in konkrete Planung setzen ließ. Wilhelmshaven als  Marinestadt bekam für den Kriegsplan eine besondere Bedeutung und wurde zur größten Waffenschmiede des Reichs ausgebaut. In diesem Zusammenhang militariserten die nationalsozialistischen Planer fast flächendeckend auch das friesländische Hinterland der ihre Einwohnerzahl nunmehr fast verdoppelnden Großstadt. Ab 1937 wirkte Schumacher, nunmehr Major, eine Zeit als Staffelkapitän beim 1936 in Betrieb genommenen Flugplatz Upjever und dann als Flugplatzkommandant. Er nahm anschließend Teil an der Annexion des Sudetenlands Ende 1938 und der Besetzung und Zerschlagung der Tschechoslawakei im März 1939. Stationiert im annektierten Pilsen, wirkte er am Überfall auf Polen im September 1939  mit. Jetzt Oberstleutnant, wurde Schumacher  nach der polnischen Niederlage Ende 1939 Kommodore des Jagdgeschwaders 1, dessen Stab sich in Jever befand. Nun war er am Krieg gegen das mit Polen verbündete England beteiligt. Schumachers Gruppe gelang es in der ersten Phase des Luftkriegs, Vorstöße englischer Bomber auf das deutsche Küstengebiet abzuwehren. Nach einem  aus deutscher Sicht erfolgreichen Gefecht über der südlichen Nordsee am 18. Dezember 1939 wurde Schumacher  als „Held der Luftschlacht über der Deutschen Bucht“ reichsweit gefeiert und Luftwaffen-Chef Hermann Göring inspizierte Ende Februar 1940 den Flugplatz Upjever. Anschließend setzte Schumacher seine Karriere an anderen Einsatzgebieten fort.

Nach dem Nordsee-Gefecht besuchte NS-Prominenz das Jagdgeschwader Upjever. V. r.: Kreisleiter Flügel, Schumachers Adjutant Müller-Trimbusch, Schumacher, Gauleiter Röver, Miinisterpräsident Joel (Oldenbg. Staatszeitung, 27.12.1939)
Nach dem Nordsee-Gefecht besuchte NS-Prominenz das Jagdgeschwader Upjever. V. r.: Kreisleiter Flügel, Schumachers Adjutant Müller-Trimbusch, Schumacher, Gauleiter Röver, Miinisterpräsident Joel (Oldenbg. Staatszeitung, 27.12.1939)

Im Januar 1944 erreichte Schumacher den Rang des Generalmajors. Ab Oktober 1944 wirkte er als mitstimmender Offizier am von Berlin nach Torgau an der Elbe verlegten Reichskriegsgericht und war nachweislich an Todesurteilen gegen Verweigerer beteiligt und Zeuge bei Hinrichtungen mit dem Fallbeil.  Am 30. Januar 1945 wurde er Chef des Führungsstabes der Nationalsozialistischen Führungsoffiziere (NSFO) im Oberkommando der Luftwaffe im Reichsfuftfahrtministerium Görings und hatte diese Funktion bis Kriegsende inne. Die NSFO sollten nach der Niederlage von Stalingrad im „totalen Krieg“ die Übereinstimmung von Soldatentum und „nationalsozialistischer Weltanschauung“ herstellen, um so Aggressivität und Opferbereitschaft für den „Endsieg“ zu stärken. Die auf Weisung von Hitler vom Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, des 1946 in Nürnberg hingerichteten Wilhelm Keitel, erlassene Verfügung über die „weltanschauliche Führung“ vom 6. Februar 1944 listet die Auswahlkriterien auf: „a) bedingungsloser Nationalsozialist, b) besonderer Persönlichkeitswert, c) hervorragende Frontbewährung, d) Erfahrungen und praktische Fähigkeiten in der politisch-weltanschaulichen Führung und Erziehung.“ (Bundesarchiv RW 6/490) Schumacher erfüllte ganz offenbar diese Kriterien und war so als Führungsoffizier geeignet.  Zur Verdeutlichung: Generalmajor Schumacher war nicht nur ein NSFO, wie es auch der deutlich niederrangigere Franz-Josef Strauß war, sondern Chef aller NSFO der Luftwaffe. Betrachtet man Schumachers Karriere  vom Erstarken der NS-Bewegung um 1930 über das „1000jährige Reich“  bis zur totalen Niederlage von 1945, weist ihn sein kohärentes Handeln als überzeugten und zunehmend fanatischen Mitorganisator der Kriegspläne Deutschlands, des die gesamte Welt verheerenden Krieges und im besonderen Maße als bedingungslosen Nationalsozialisten und Verfechter des „Endsieges“ aus.

Carl-Alfred Schumacher am 19.12.1939 bei der Reichspressekonferenz in Berlin anlässlich des "großen Luftsiegs über der deutschen Bucht", rechts Reichspressechef Otto Dietrich
Carl-Alfred Schumacher am 19.12.1939 bei der Reichspressekonferenz in Berlin anlässlich des „großen Luftsiegs über der deutschen Bucht“, rechts Reichspressechef Otto Dietrich

Von Mai 1945 bis April 1947 in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft, wurde Schumacher  im August 1948, also nach der Währungsreform,  als sog. „Mitläufer“ entnazifiziert. „Entnazifizierung“  ist insofern zutreffend, als dieses nur ursprünglich direkt nach Kriegsende 1945 scharfe Schwert zu diesem Zeitpunkt faktisch gleichbedeutend mit der Schaffung der formalen Voraussetzung war, sich in das weitere Berufsleben reintegrieren zu dürfen. Aus der Zeit stammt die  anschaulich-volkstümliche Bezeichnung „Persilscheine“ für die zur „Reinwaschung“ vom Schmutz der NS-Zeit vorzulegenden Ehrenerklärungen.  Die Aufnahme von ehemaligen NS-Aktivisten in die Funktionselite der Bundesrepubik bahnte sich an und damit das, was Historiker „die zweite Schuld“ nennen: das bis in die 1990er Jahre reichende Kartell  der an Verschweigen und Verdrängen der NS-Zeit Interessierten.  Es ist zweifelhaft, ob Schumacher 1948 den Entscheidern alle Fakten seines Lebenslaufs offenbarte. (Leider ist die Entnazifizierungsakte bisher nicht aufgefunden worden.) Zeitweise wieder wohnhaft in Jever, schloss sich Schumacher wie viele vormalige NS-Funktionsträger dem Parteienbund BHE/DP an (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten, Deutsche Partei), über das er 1953 in den Niedersächsischen Landtag gelangte. Von den 33 Abgeordneten der BHE/DP-Fraktion im Landtag waren zu diesem Zeitpunkt 28 zuvor Mitglied der NSDAP gewesen. Selbst in den problematischen Reihen des BHE waren nur wenige konkret mehr belastet als Schumacher. Viele Abgeordnete der CDU und der FDP und selbst einige der eher unverdächtigen SPD hatten eine mehr als nur karteitechnische NS-Vergangenheit.  1958 wechselte Schumacher von dem sich auflösenden BHE zur kränkelnden DP und schied, zuletzt kurzzeitig wie einige andere ehemalige BHEler  in die CDU-Fraktion aufgenommen,  1963 aus dem Landtag aus.

Major Hermann Edert, ca. 1937 auf dem Flugfeld von Upjever (Archiv H. Peters)
Major Hermann Edert, ca. 1937 auf dem Flugfeld von Upjever (Archiv H. Peters)

Die Edertstraße heißt so, weil unter einem Major Hermann Edert (geb. 1901) ab Juli 1936, anschließend an die Einweihung des Flugplatzes am 1. Mai 1936, der Stab des zentralen Jagdfliegergeschwaders aufgebaut wurde und unter Edert als Horstkommandanten ein weitere Ausbau der Infrastruktur und wohl auch, soweit gegenwärtig bekannt,  die Fertigstellung der Flugplatzsiedlung erfolgte. Edert war ab 1919 Mitglied des rechtsradikalen Freikorps „Brigade Hermann Ehrhardt“ und im März 1920 in Berlin am gescheiterten Kapp-Putsch gegen die Reichsregierung beteiligt gewesen, bevor er zeitweise regulärer Marinesoldat wurde. 1933 trat er in die NS-Luftwaffe ein.  In Jever blieb Edert 1937 nur bis zum September. Er empfahl seinen Stellvertreter Schumacher als Nachfolger. Im Krieg war er unter anderem als Pilot und in der Pilotenausbildung tätig und wirkte ab 1943 im Range eines Oberst als Chef des deutschen Verbindungsstabes in der verbündeten ungarischen Luftwaffe. Vermutlich ist Edert weit weniger belastet als Schumacher. Er, dessen persönliche „Leistung“ – in welcher Hinsicht auch immer – unbedeutend ist,  erschöpft sich als Galionsfigur und Repräsentant einer Traditionspflege, die die Nationalsozialisten bei der Namensgebung der Straße zu begründen suchten und die heutigen Maßstäben, zumal ziviler Kommunen, widerspricht.

Straßennamen sind Ausdruck von Ehrung. Schumacher- und Edertstraße erzeugen ein Bild geschichtlicher Kontinuität, das nicht das der Stadt Schortens von heute bleiben darf. Auch erfolgte die Bennenung der Straßen seinerzeit offenbar durch die Wehrmacht und nicht durch die Kommune (damals Oestringen). Der Beschluss der Beibehaltung der Namen wäre der öffentliche Beschluss der Benennung der Straßen. Im übrigen distanziert sich die Bundeswehr im Rahmen ihrer Traditionsaufarbeitung seit Jahren von Namen, die durch die menschenverachtende Ideologie und Praxis der NSDAP und den völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg belastet sind. Das sollte in einem noch viel höheren Maße für eine zivile Kommune gelten. Die Bundesrepublik will „dem Frieden der Welt“ (Grundgesetz, Präambel) dienen.

Ich schlage zur Abhilfe des offensichtlichen öffentlichen Missstands vor, die Straßen nach zwei Persönlichkeiten zu benennen, die einen Bezug zur deutschen Geschichte und zum Flugplatz Upjever besitzen, die zweitens ehrenswert sind und deren Namen auf einem Straßenschild drittens für eine gelebte Erinnerungskultur in Schortens stehen würden: Stanislaw Maczek und Josef Rosensaft.

 

Generalleutnant Guy Simonds, Kommandant „First Canadian Army“, General Stanislaw Maczek und ein unbekannter Soldat am 19. Mai 1945 auf dem Flugfeld von Upjever (Archiv H. Peters)
Generalleutnant Guy Simonds, Kommandant „First Canadian Army“, General Stanislaw Maczek und ein unbekannter Soldat am 19. Mai 1945 auf dem Flugfeld von Upjever (Archiv H. Peters)

Stanislaw Maczek (1892 – 1994): Zu den Besonderheiten unserer Regionalgeschichte gehört, dass Einheiten der polnischen Westarmee, eingebunden in die britischen Armee, am 6. Mai 1945 Wilhelmshaven und den nördlichen Teil von Friesland vom Nationalsozialismus befreiten. Die 1. Polnische Panzerdivision unter dem Kommando von General Stanislaw Maczek hatte bereits zuvor, nach ihrer Landung in der Normandie 1944 bei der Schlacht von Falaise, einen wichtigen Teil zur Niederringung des NS-Terrorregimes geleistet. Stanislaw Maczek nahm im Mai 1945 in einer Heidmühler Villa Quartier und weilte am 19. Mai 1945 zusammen mit weiteren anderen hohen Militärs auf dem Flugfeld von Upjever, wo ein Feldgottesdienst und eine Ehrung polnischer und britischer Soldaten stattfanden. In den Kasernen des Flugplatzes waren die polnischen Soldaten untergebracht.

General Stanislaw Maczek mit dem General of the Army Dwight D. Eisenhower, dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, 1944/45 (Archiv H. Peters)
General Stanislaw Maczek mit dem General of the Army Dwight D. Eisenhower, dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, 1944/45 (Archiv H. Peters)

Maczek genoss unter Alliierten wie Eisenhower und Montgomery großes Ansehen. Seit der Wende 1990 hat auch Polen den nichtkommunistischen Maczek, der Ehrenbürger der Niederlande ist und in Breda begraben liegt, mehrfach geehrt. 1994 erhielt er die höchste Staatsauszeichnung Polens, zahlreiche Straßen und Schulen heißen nach ihm. Während für das polnische Geschichtsbewusstsein der Anteil der Westarmee an der Niederschlagung des Nationalsozialismus und der Befreiung der Heimat von der deutschen Okkupation selbstverständlich ist und die Einnahme der wichtigen Marineregion Wilhelmshaven eine besondere Rolle spielt, ist diese Episode Deutschen nahezu unbekannt. Das ist umso bedauerlicher, als ohne den Einsatz von Soldaten wie diesen Deutschland nicht vom Terrorregime des Nationalsozialismus befreit worden wären, da alle Widerstandsbewegungen scheiterten.

 

Josef Rosensaft (Mitte, heller Mantel) zusammen mit den letzten Emigranten aus dem DP Camp Upjever auf dem Bahnhof von Jever im August 1951 (Gedenkstätte Bergen-Belsen)
Josef Rosensaft (Mitte, heller Mantel) zusammen mit den letzten Emigranten aus dem DP Camp Upjever auf dem Bahnhof von Jever im August 1951 (Gedenkstätte Bergen-Belsen)

Josef Rosensaft (1911 – 1975): Bei Bergen-Belsen denkt man an das 1945 befreite Konzentrationslager und die dort von den entsetzten britischen Soldaten vorgefundenen Leichen der Opfer. Selten denkt man an das hier nach dem Abriss der verseuchten Baracken eingerichtete größte Camp Nachkriegsdeutschlands für jüdische Displaced Persons (DPs), in dem außer den Befreiten auch die Überlebenden vieler anderer Lager bis zu ihrer Auswanderung oder Repatriierung Unterkunft fanden. Fast unbekannt aber ist, dass die Geschichte des „Bergen Belsen D.P. Hohne Camp“ in den Personalbauten des ehemaligen NS-Flugplatzes Upjever zu Ende ging. Das „Resettlement Transit Camp Jever“ gehört zu den wichtigen Erinnerungsorten nicht nur Frieslands, sondern weit darüber hinaus, denn hier wurde das Kapitel der Geschichte der Holocaust-Überlebenden der britisch besetzten Zone Deutschlands und ihrer Selbstverwaltung 1950/51 abgeschlossen.

Der in Bedzin bei Krakau geborene Josef Rosensaft überlebte Auschwitz und Bergen-Belsen, wo er nach der Befreiung in das „Zentralkomitee der befreiten Juden in der britisch besetzten Zone“ gewählt wurde. Er war der wichtigste Verhandlungspartner der Briten in allen die Interessen der jüdischen DPs betreffenden Fragen, insbesondere der Auswanderung nach Palästina bzw. Israel. Als das DP Camp Bergen Belsen aus militärischen Gründen aufgelöst wurde, setzte der streitbare Rosensaft die Verlegung der letzten ca. 1.500 noch nicht ausgewanderten, traumatisierten und häufig physisch kranken Überlebenden nach Upjever durch, weil er in den von den abgezogenen dänischen Besatzungstruppen in einem guten Zustand hinterlassenen Gebäuden, insbesondere im Krankenhausbau,  die besten Bedingungen sah. Hier befand sich zuletzt der Sitz des genannten Zentralkomitees. Rosensaft wohnte zeitweise in Upjever und organsierte 1951 die Auflösung vor Ort.

Auf Hinweis von Dr. Thomas Rahe, dem Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, wurde vorab der Sohn Menachem Z. Rosensaft, NYC, gefragt, ob er einverstanden wäre, wenn ein solcher Straßenname von der Stadt beschlossen würde. Denn auch eine Ablehnung durch die Familie wäre denkbar. Mr. Rosensaft: „Having a street in Upjever – known to the DP´s as Jever – named for my father is a beautiful and meaningful gesture of which I approve wholeheartedly. [..] Needless to say, if at all possible, I would like to attend the ceremony.” (30.1.2016)  Der 1948 in Bergen-Belsen geborene Rosensaft ist der Gründer des „International Network of Children of Jewish Holocaust Survivors“, Vorsitzender des „Holocaust Survivors´ Memoirs Project“ zusammen mit Yad Vashem, Israel, und seit 2008 Chefjustitiar des World Jewish Congress (WJC). Seine Mutter Hadassah Rosensaft geb. Bimko (1912 – 1997) überlebte wie ihr Ehemann Auschwitz und Bergen-Belsen. Sie war eine treibende Kraft für Gründung und Aufbau des „United States Holocaust Memorial Museum“ in Washington, D.C.

Hadassah, Menachem und Josef Rosensaft 1963 im Arbeitszimmer von David Ben-Gurion, Jerusalem (Gedenkstätte Bergen-Belsen)
Hadassah, Menachem und Josef Rosensaft 1963 im Arbeitszimmer von David Ben-Gurion, Jerusalem (Gedenkstätte Bergen-Belsen)

Seit mehreren Monaten wird im Rahmen des Projekts „Erinnerungsorte im Landkreis Friesland“ des Kulturverbunds Schloss-Museum Jever und des Arbeitskreises GröschlerHaus die Geschichte des „Resettlement Transit Camp Jever“ erforscht, eine Publikation und eine Ausstellung sind geplant. Es gibt konstruktive Kontakte zur Bundeswehr und die Idee, auf dem Flugplatz eine Dauerausstellung zum DP-Camp zu integrieren. Die Initiativen erfolgen in Absprache mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen und mit der Oldenburgischen Landschaft.

Kontakte zu Familienangehörigen von Stanislaw Maczek in Edinburgh, Schottland, sowie zu Veteranen-Organisationen dort, in Breda und in Polen können aufgebaut werden oder bestehen bereits. Aus Sicht polnischer Veteranenverbände wäre es in erster Linie für die Stadt Schortens eine Ehre, wenn eine ihrer Straßen den Namen Maczeks tragen dürfte. Es ist anzunehmen, dass zur Einweihung der ersten Maczek-Straße Deutschlands ebenfalls Besuch erwartet werden darf, obwohl bereits in Polen, den Niederlanden und Belgien Straßen und Schulen an den General erinnern. In Edinburgh wurde vor einigen Monaten in einem öffentlichen Park ein Denkmal eingeweiht.

Die Stadt Schortens wäre nach meiner Auffassung gut beraten,  mit dieser NS-Altlast so umzugehen, dass dauerhaft Erinnerungskultur entsteht. Die Straßenumbenennungen, so wie aufgezeigt, bieten die  Chance, Anfänge von Erinnerung nun auch in der zweitgrößten Stadt Frieslands zu begründen,  auf überörtliches Interesse zu stoßen und nicht zuletzt ein historisch verbindendes Signal an  die polnische Partnerstadt Pieszyce zu senden. Ich gebe hier nur einen Vorschlag zur Diskussion: Die gewählten Repräsentanten sind  für das Bild, das die Stadt Schortens in diesem Bereich bisher nicht gezeichnet hat oder nun vielleicht zeichnen wird, verantwortlich. Die Namen beizubehalten ist faktisch der Beschluss über die Benennung von Straßen mit NS-Belasteten.  Die Straßen nun aber stattdessen mit z.B. Flurbezeichnungen zu benamen, wäre an dem Ort der  historischen Flugplatzsiedlung irreführende Geschichtsglättung. Der inzwischen aufgekommene Name „Waldsiedlung“ klingt bereits jetzt nach Entsorgungspark – für ein von der Stadt Schortens bisher nicht aufgeschlagenes Kapitel ihrer Geschichte.

Die Stadt  sollte die Anwohner selbstverständlich dabei unterstützen, ihre neuen Adressen möglichst kostenneutral übernehmen und einpflegen zu können. Schortens hat es ja auch geduldet, dass die Namen von Hitler bis heute „einfach so durchgelaufen“ sind.

Quellenhinweise

Frerichs, Holger: Der Bombenkrieg in Friesland 1939 – 1945.- Jever 1997, S. 16 f. [Schumacher]

Präsident des Niedersächsischen Landtags: Die NS-Vergangenheit späterer niedersächsischer Landtagsabgeordneter.- Hannover 2012, S. 202 f. [Schumacher; Text steht auch im Internet]

Zapf, Jürgen: Fliegerhorst Upjever.- Zweibrücken 2004 [Edert, Schumacher]

Reichert, Olaf: „Wir müssen doch in die Zukunft sehen…“: Die Entnazifizierung in der Stadt Oldenburg 1945 – 1947.- Oldenburg 1998 [zu den Hintergründen der Entnazifizierung]

Stiftung niedersächsische Gedenkstätten: Bergen-Belsen: Katalog der Dauerausstellung.- Göttingen 2009 [Rosensaft]

Graul, Jens: Wilhelmshaven: Captain Edward Conder RN und der Neuanfang 1945.- Wilhelmshaven 2014 [Maczek]

zu: Carl-Alfred Schumacher; Josef Rosensaft; Stanislaw Maczek / Einträge bei Wikipedia in unterschiedlicher Qualität

Dr. Vogel: Hermann Edert und Carl Schumacher: Zwei deutsche Militärbiographien in der Zeit des Nationalsozialismus (Vortrag im „Bürgerhaus Schortens“, 25. Mai 2016)

www.gröschlerhaus.eu insbesondere die Artikel

https://www.groeschlerhaus.eu/erinnerungsorte/schortens-das-dp-camp-fuer-holocaust-ueberlebende-auf-dem-flugplatz-upjever-beendete-195051-bergen-belsen/

https://www.groeschlerhaus.eu/forschung/jever-und-jeverland/zeitgeschichte/das-kriegsende-in-jever-1945-und-der-massenprotest-gegen-die-verteidigung-der-stadt/#8

https://www.rafjever.org/gafpic115a.htm.  [zeigt den Blick der „Jever Steam Laundry“ der RAF (Royal Airforce) Jever auf die britische Zeit der Siedlung ab 1951]

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